Donnerstag, 14. Dezember 2017

Zwei Welten

Ich lebe hier in zwei Welten, ganz klar.

Ich lebe in einem richtigen Standard Schweden-Haushalt, drei blonde Kinder, gelbes Holzhaus, kleiner Garten, ruhige Wohngegend, alle fahren Fahrrad, man spielt Innebandy, Buttermesser und Käsehobel sind die wichtigsten Küchenutensilien, die wunderschönste, klischeehafteste Sommerstelle die man sich vorstellen kann, man heisst Erik, Ylva, Frida, Tove. Es ist wirklich genauso wie man sich es vorstellen würde.

Doch dann geh ich in die Schule und es fühlt sich vollkommen unrealistisch an zu wissen, dass ich nur 1 km von Zuhause weg bin. Manchmal wird arabisch gesprochen, meistens aber doch schwedisch. Es ist ganz klar ein anderes schwedisch, ich würde es mal mit dem Berlin-Neukölln-Deutsch vergleichen. Man merkt, dass gut die Hälfte der Schüler hier nicht in Schweden geboren ist. Und der Rest ist zwar in, aber nicht zwischen Schweden aufgewachsen.

Man geht hier eher getrennte Wege. Ich würde nicht direkt sagen, dass die Integration gescheitert ist, denn es gibt kaum Probleme und das Bild, dass die rechtspopulistischen Schweden-Demokraten von dieser Stadt malen wollen ist einfach nur falsch. Jedoch ist Segregation hier definitiv Alltag.

Es heißt "wir" und "die anderen". Und das von beiden Seiten, von Schweden und Einwanderern, Nicht selten enden Geschichten, die ich hier in der Schule höre, mit einem spaßig verächtlichen "Svenskarna..." also sinngemäß "Ach die Schweden...". Ob meine Gastfamilie Schweden sind, wurde ich gefragt. Also so richtig und komplett? Man ist verwundert. Man stellt infrage warum denn ein Priester der Schwedischen Kirche in den Unterricht kommt, wenn da eh niemand Mitglied ist und die allgemein "komisch" sind. Dass mehr als 60% der Bevölkerung dieser Kirche angehören weiss man scheinbar nicht.

Religion spielt hier eine große Rolle. Die meisten Einwanderer sind Assyrer/Syrianer und gehören verschiedenen Strömungen des Christentums an. Hass gegen Juden, Muslime, Homosexuelle, das ist hier definitiv noch ein Problem. Erste diese Woche wurden die Regenbogenfahnen, die jetzt in der Rezeption hängen, mit vielen kritischen Blicken und einem Hauch von Hass und Abscheu betrachtet. Was hier manche im Relgionsunterricht zum Thema Judentum von sich gegeben haben, hätte in Deutschland mindestens zu einem Gespräch mit dem Schulleiter, wenn nicht gar zu einer Anzeige geführt.

Zwischen den Schweden und den Einwanderern gibt es kaum Probleme, man verliert kaum ein böses Wort über einander. Die größten Konflikte bestehen hier unter den Einwanderern. Zentral ist dabei der Streit ob man Assyrer oder Syrianer (exakt dasselbe Volk, nur unterschiedliche Namen) und Anhänger der dazugehörenden Fußballteams ist.

Zurück zum Thema Segregation: Kein Schwede würde sein Kind jemals an meine Schule schicken, kein Schwede jemals nach Hovsjö oder Ronna ziehen. Wo ich jetzt wohne gibt es wiederum nur Schweden. Die Schweden, die es hier gibt, kennen sich so gut wie alle untereinander und sind eine Gemeinschaft für sich. Bei den Kindern und Jugendlichen ist es zumindestens schon viel gemischter, was Hoffnung für die Zukunft gibt.

Ja, jetzt hab ich irgendwie den Faden verloren, aber was ich eigentlich sagen wollte:
Es funktioniert, man lebt friedlich nebeneinander, aber von einer glücklichen, bunten, toleranten Multikulti-Gesellschaft ist man auch hier noch ein ganzes Stückchen entfernt.

Montag, 4. Dezember 2017

Wochenenden

Das meiste wirklich spannende spielt sich bei mir hier inzwischen an den Wochenenden ab. An den Wochentagen hab ich zwar auch relativ viel Freizeit aber der Jahreszeit geschuldet fühlt sich alles nach 15.00 Uhr wie Nacht an und man bekommt nichts Produktives auf die Reihe. Dafür bin ich an den Wochenenden umso aktiver.

Wir sind hier zum Beispiel gerade dabei das Badezimmer zu renovieren und dementsprechend führt uns der ein oder andere Ausflug zu K-Rauta, einer schwedischen (oder eher finnischen) Baumarktkette. Auch Frida, die vor einem reichlichen Monat ausgezogen ist und deren Zimmer ich jetzt bewohne, haben wir schon in ihrer neuen Wohnung "på söder" besucht. Letztes Wochenende hab ich zum ersten Mal in meinem Leben Holz gehackt (ohne mich zu verletzen möchte ich stolz hinzufügen) und konnte mich daraufhin drei Tage lang kaum bewegen. Diesen Samstag sind wir dann zu einem großen "Loppis", eine Art Flohmarkt, gefahren. Dort kann man alles, von Möbeln über Bücher bis hinzu nutzlosem Kleinkram für recht billiges Geld kaufen. Zufällig haben wir dann ausgerechnet dort endlich ein Sofa für Frida gefunden.

Ein einziges trauriges Bild vom Loppis, ein lustigeres folgt bald

All diese "Ausflüge" nutzt Julian, ein Freund von Josef und inzwischen halb adoptiert, als Möglichkeit um Autofahren zu üben. Im Gegenteil zu Deutschland darf man in Schweden nämlich mit seinen Eltern oder anderen Personen mit Führerschein das Autofahren üben. Von allem Aktivitäten kommen wir dann meistens so 15.00 Uhr zurück, es wird dunkel und man verlässt das Haus nicht mehr. Da gibt es dann also meistens Lunch, dass standardmäßig aus Obst, Fil (eine Art saurer Joghurt) und Müsli besteht, dazu eine Schnitte. Direkt im Anschluss gibt es dann Kaffee/Tee und irgendein Fikabröd. Julian bleibt fast immer mit da, isst mit uns Abendessen und macht sich dann auf den Weg zur Arbeit. An den Abenden hatten wir schon zweimal Freunde zu Besuch und haben auch schon Film geschaut.

An Sonntagen geh ich eigentlich immer zum Gottesdienst und zur anschließenden Fika. Da trifft man dann die meisten wieder, mit denen man schon am Freitagabend bei UG war. Gestern zum ersten Advent war es ein besonders schöner Gottesdienst und die Kapelle war übervoll. Wie so oft hat der Jugendchor (der aus fünf Stimmen plus Gitarre, Klavier und Cajon besteht) gesungen und damit wie immer meinen Lieblingsteil des Gottesdienstes dargestellt. Ich kenne alle fünf und sie spielen wirklich wundervoll zusammen, besonders Ruben, der einfach unglaublich talentiert ist. Da sie selbst  die Lieder wählen dürfen sind es immer unsere Lieblingslieder von UG, die ich inzwischen auch kenne und mitsingen kann.

Außerdem war gestern das zweite Konfa-Treffen, was dazu führte, dass ich den ganzen Tag ausgeplant war. Auch wenn ich selbst nicht konfirmiert bin, habe ich mich hier angemeldet um "Leiter" (???) zu werden. Nach einem Wochenende im Oktober währenddessen wir selber zu guten Ausbildern geschult wurden, darf ich mich jetzt offiziell Konfa-Ledare nennen. (Ledare könnte man zu Führer übersetzen aber auf deutsch klingt das einfach falsch ¯\_(ツ)_/¯)

Gestern war dann also das zweite Konfa-Treffen mit den neuen Konfirmanden und nach verschiedenen Teambildenden Aktivitäten und einer kurzen Andacht waren wir dann gegen 16.00 Uhr fertig und nach etwas Aufräumen und Nachbesprechung war ich dann kurz vor 17.00 Uhr zuhause.


Jap, das wars dann auch erstmal wieder von mir, 
machts gut,
Miele


Ein bisschen Weihnachtsstimmung aufm Sergels Torg