Freitag, 13. April 2018

Dreiundsiebzig Tage

Zwei Monate, eine Woche, fünf Tage. Exakt so viel Zeit verbleibt mir noch hier in Schweden, in Södertälje, in diesem gelben Holzhaus auf dessen Terrasse ich gerade trotz nur knapp zweistelligen Temperaturen im T-Shirt sitze und versuche ein bisschen Sommer-Feeling und Farbe zu bekommen.

Nur noch dreiundsiebzig Tage in meiner Gastfamilie, die so wundervoll ich, dass mir die Worte dafür fehlen. Klar werde ich zurück kommen, aber ich muss einsehen, dass es nie wieder so sein wird, wie in diesen Wochen und Monaten.

Mein Leben wird auf unbestimmte Zeit und vielleicht sogar nie wieder so einfach und entspannt sein. Denn Probleme gibt es hier nicht, in einer Welt in der Aufstehen vor 8.00 Uhr eine Seltenheit ist, in der Schultage nicht länger als 4-5 Stunden sind, wo man Hausaufgaben nur macht, wenn man gerade Lust hat. Kein Arbeiten am Wochenende, kein Verzweifeln über bevorstehende Arbeiten, keine Übermüdung, kein Tanztraining, absolut keine Konflikte. Das Leben ist einfach leicht.

Von Freundschaften, wie ich sie in Deutschland habe, bin ich hier weit entfernt, aber daran hab ich mich gewöhnt. Und manchmal kann ich mich ganz schön unproduktiv fühlen, denn wie beschissen Schule auch manchmal sein kann, am Ende des Tages weiss man immer, was man gemacht hat und, dass man einen Schritt näher zu den Herbstferien, dem Ende des Schuljahres und dem Abitur gekommen ist.

Mein Leben ist vielleicht ein bisschen flach im Moment, auf konstant hohem leicht überdurchschnittlichem Niveau.

Seit ein paar Tagen kann man sich hier einbilden, dass Frühling ist. Die Natur traut der Sache noch nicht recht und zögert noch damit aus dem Winterschlaf zu erwachen. Aber das ist nur noch eine Frage der Zeit. Die Temperaturen lagen die letzten Tage so um die 10 Grad, doch in der Sonne kann man locker ohne Jacke sitzen.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich den Frühling jetzt einfach herbei zwinge. Die Winterstiefel wurden nach reichlich sechs Monaten wieder durch Sneakers ersetzt, ich radle mit offener Jacke zur Schule, geh am Abend eine Runde Fahrradfahren oder im T-Shirt laufen. Mache schlicht und ergreifend das, was ich mit dem Frühling und Sommer verbinde.

Das einzige, dass ich nicht imitieren kann, ist dieses Gefühl, das ich so viele Jahre lang hatte. Wenn man das erste Mal ohne Jacke zur Schule fährt und plötzlich realisiert, dass Sommer und Sommerferien nahe sind. Da schließt man mit dem Schuljahr schon so halb ab, die meisten Noten sind eh sicher und ohne all den Stress hat man mit einem Mal viel mehr Zeit und kann Sachen machen, die einem Spass machen. Diese Leichtigkeit ist es, die mich jeden Frühling wiederbelebt und die ich hier jetzt gerade vielleicht ein bisschen vermisse.

Aber ganz ehrlich, das ist meckern auf hohem Niveau. Und wenn das Wetter hier auch nur annähernd so weitermacht, dann werden die letzten Wochen hier einfach nur traumhaft werden. Ob zwei Monate, eine Woche und fünf Tage jetzt lang oder kurz sind, weiss ich nicht genau, aber ich glaube sie werden viel schneller vergehen, als mir lieb ist. Ich werde versuchen, das Beste daraus zu machen.

Emilia


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